Orange The World: Interview mit HeForShe Botschafter Robert Franken

Robert Franken ist Unternehmensberater und einer von sechs HeForShe Botschaftern für UN Women Deutschland.
Anlässlich der „Orange the World Kampagne“ von UN Women, die auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht, haben wir mit ihm über geschlechtsspezifische Gewalt gesprochen und was man dagegen tun kann.
Foto: © Martina Goyert
Robert Franken, Sie sind HeForShe Deutschland Botschafter. Die Solidaritätsbewegung HeForShe von UN Women ruft alle Geschlechter – und insbesondere Männer – dazu auf, sich für Gleichstellung einzusetzen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich unterstütze die Arbeit von UN Women Deutschland, gleichzeitig engagiere ich mich in verschiedenen Kontexten für Geschlechtergerechtigkeit. So kamen wir über verschiedene Veranstaltungen in Kontakt. Daraus hat sich das Botschafter-Engagement entwickelt. Ich schätze das Netzwerk sehr, da wir alle sehr unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungsräume einbringen können. Für mich ist das sehr lehrreich und unterstützend.
Was entgegnen Sie Männern, die Unverständnis gegenüber Feminismus oder sogar Angst vor feministischen Bewegungen haben?
Dass ich sie emotional mitunter verstehen kann. Rational sollten wir uns aber darauf einigen, dass wir Männer dann ein Teil des Problems sind, wenn wir unsere Perspektiven nicht reflektieren und nicht lernen, woher unsere diffuse Ablehnung bestimmter Komplexe stammt. Feminismus kann ein extrem spannender Lern- und Aktionsraum sein, auch und gerade für Männer. Ein wenig Neugier und die Bereitschaft, die eigene Sozialisation und ihre Folgen zu hinterfragen, reichen zu Beginn schon aus.
„In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen.“
Die Kampagne „Orange The World“ setzt sich für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und nicht-binären Personen ein. In der Pandemie hat häusliche Gewalt zugenommen. Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?
Sie ist, vorsichtig ausgedrückt, sehr besorgniserregend. In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen, das sind mehr als zwölf Millionen Frauen. Alle 45 Minuten wird eine Frau in Deutschland durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt. Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Gerade in der Pandemie hat man bei weitem nicht alles mitbekommen, was tatsächlich passiert. Die Dimension von Gewalt gegen Frauen ist leider riesig.
Geschlechterspezifische Gewalt hat aber noch andere Formen als häusliche Gewalt. Welche sind das und welche Personen sind besonders gefährdet?
Geschlechtsspezifische Gewalt beschreibt gewaltvolle Handlungen gegenüber einem Individuum oder eine Gruppe von Individuen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Der Begriff wird benutzt, um zu verdeutlichen, dass gesellschaftlichen Strukturen das Risiko für Mädchen und Frauen erhöhen, von bestimmten Formen von Gewalt betroffen zu sein. Auch wenn überproportional Frauen und Mädchen von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, können auch Männer und Jungen Betroffene sein. Seltener wird der Begriff im Hinblick auf Gewalt benutzt, die sich gezielt gegen Menschen der LGBTQI+-Community richtet. Diese Gewalt hat in erster Linie in sozialen Normen und damit einhergehenden stereotypen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit und einem binären Geschlechterverständnis ihren Ursprung.
„Geschlechtsspezifische Gewalt fängt bei Alltagssexismus an und endet mit Femiziden.“
Dieses Jahr macht die Kampagne auf die strukturellen Ursachen von Gewalt aufmerksam. Können Sie diese näher erläutern?
Geschlechtsspezifische Gewalt fängt bei Alltagssexismus an und endet mit Femiziden. Diese Gewalt ist allgegenwärtig und fest in unseren patriarchalen Strukturen verankert. Uns geht es darum, auf die Allgegenwärtigkeit von Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Denn wir müssen überall hinschauen und uns alle dafür sensibilisieren, dass es nicht damit getan ist, nur von den „bösen Tätern“ zu sprechen. Wir alle ragen die Strukturen, die zu Gewalt führen, in uns.
Was kann ich als Einzelperson gegen geschlechterspezifische Gewalt tun?
Ich kann mich weiterbilden und mich sensibilisieren. Um geschlechtsspezifischer Gewalt ein Ende zu setzen, müssen alle Menschen die Formen der Gewalt und deren Grundlagen kennen und sich entschieden dagegen einsetzen. Ich kann Menschen zuhören, die von geschlechterspezifischer Gewalt berichten. Ich kann Expert:innen folgen, die die Mechanismen und Strukturen in ihren Social-Media-Kanälen aufzeigen und dekonstruieren helfen. Ich kann einen sehr kritischen Blick auf mich und mein Handeln und Denken werfen.
Und zu guter Letzt: Was bedeutet für Sie Würde?
Würde ist für mich abhängig von Strukturen, die faire und diskriminierungsfreie Zugänge und Teilhabe ermöglichen.
Vielen Dank für das Interview!
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