Zum Inhalt springen

Toleranz in der KiTa

Wir alle sollen tolerant sein – so wird es von uns erwartet. Dabei ist Toleranz etwas, das man lernen muss – am besten schon im Kindesalter. Wie Kindern bereits in der Kita tolerantes Verhalten gegenüber anderen beigebracht werden kann, darüber spricht Vanessa Müller, Erzieherin im Kölner Kinderzentrum Kunterbunt.

Toleranz trägt dazu bei, dass wir offen gegenüber unseren Mitmenschen sind. Dass wir nicht verurteilen oder jemanden ausschließen, nur weil er oder sie an eine andere Religion glaubt, eine andere Kultur lebt, eine andere Hautfarbe oder eine andere sexuelle Orientierung hat oder einfach anders aussieht als wir. In fehlender Toleranz liegt also der Ursprung für Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Hass und andere Probleme. Dabei fragt man sich doch, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass jemand nicht tolerant ist. Schließlich werden wir doch alle vorurteils- und wertfrei geboren. Oder etwa nicht? Nicht ganz, findet Vanessa: „Klar, bei der Geburt sind wir alle frei von Vorurteilen. Aber schon in den ersten Lebensjahren fangen wir an, Menschen zu kategorisieren – sie also in die klassischen Schubladen zu stecken.“ Und das passiert erstmal völlig unbeabsichtigt – denn Kinder versuchen, unsere Welt verstehen und Menschen einordnen zu können. Nicht zuletzt, um sich in ihrer Komplexität zurechtfinden zu können. Sie schaffen sich ihr „eigenes Weltbild“ – und wie das aussieht, das ist laut Vanessa, geprägt von unserer Erziehung und unserem sozialen Umfeld. „Unsere Welt ist vielfältig und jede Kultur ist anders. Es spielt auf jeden Fall eine Rolle, wo wir geboren werden, wie wir aufwachsen und mit was für Menschen wir umgeben sind.“ Folglich sollten Eltern von Anfang an auch Zuhause Vorarbeit in Sachen „Toleranz“ leisten. Kommen Kinder dann mit ungefähr zwei Jahren in die Kita, knüpfen die Erzieher:innen dort an. „Ab dem zweiten Lebensjahr beginnt bei vielen Kindern die sogenannte „Trotzphase““, erklärt Vanessa. „In dieser Zeit entdecken Kinder ihren eigenen Willen und fangen an, sich eine eigene Meinung über Dinge und Menschen zu bilden. Und wo eine eigene Meinung ist, da muss auch Platz für eine andere Meinungen sein“. Aber nicht nur die Trotzphase spricht dafür, Kindern früh ein Gefühl von Toleranz zu geben. „Umso jünger wir beginnen, etwas zu lernen, desto einfacher ist es auch“, weiß die Erzieherin. Das Erlernen einer Sprache eignet sich da als ein anschauliches Beispiel aus der Praxis. „Für Kinder, die zweisprachig aufwachsen, ist es ganz normal, zwei Sprachen zu kennen und zu sprechen. Fangen wir allerdings erst im Erwachsenenalter an, eine neue Sprache zu lernen, merken wir schnell, wie schwer uns das fällt“, erzählt Vanessa. Es ist also klar: Umso länger und fester eine Verhaltens- oder Denkweise in uns verankert ist, desto schwieriger wird es auch, diese wieder herausbekommen oder verändern zu können.

Ein Verständnis für Mitmenschen entwickeln

Aber wie sieht so ein Lernkonzept zu Toleranz aus? Es beginnt schon ganz klein. Zum Beispiel damit, dass man sich beim gemeinsamen Mittagstisch in verschiedenen Sprachen einen guten Appetit wünscht. Man feiert das christliche Weihnachtsfest zusammen, spricht aber im selben Zug darüber, weshalb muslimisch-stämmige Kinder das vielleicht nicht tun. Und befasst sich im Frühling mit dem traditionellen Ramadanfest. Aber auch Inklusion ist ein großes Thema im Kita-Alltag. „Vielleicht ist ein Kind auf Grund einer Beeinträchtigung nicht in der Lage, seinen Teller selbst wegzuräumen. Ein Kind ohne körperliche Einschränkung hingegen wird aktiv dazu aufgefordert, seinen Platz nach dem Essen zu säubern. Und darüber wird dann ganz offen gesprochen, sodass Kinder ein Verständnis für ihre Mitmenschen entwickeln können. Gegenseitiges Verständnis ist ein großer Teil von Toleranz“. Mit Kindern in ein offenes, ehrliches Gespräch über Themen zu gehen, hebt die Erzieherin als einen der wichtigsten Punkte hervor. Auch für die eigenen Emotionen sollte Platz sein, denn schließlich kommen nicht alle Kinder mit den gleichen Voraussetzungen in den Kindergarten. Manche Kinder haben einen größeren, multikulturellen Sozialkreis um sich als andere. „Kinder, die in ihrem natürlichen, sozialen Umfeld weniger Vielfalt erleben, stellen natürlich auch mehr neugierige Fragen. Es ist wichtig, dass wir auf diese eingehen und das Thema Diversität enttabuisieren. Und Kindern nicht das Gefühl geben, dass ihre Fragen unangebracht seien“. Und auch modern-konzipierte Kinderbücher, Hörspiele und Lieder, die Diversität abbilden, helfen beim Vermitteln von Toleranz. Und eine letzte Sache darf natürlich auch nicht fehlen: Mit gutem Beispiel voran gehen und selbst ein Vorbild sein. „Wir als Erzieher:innen haben eine enorm große Vorbild-Funktion. Wenn wir erwarten, dass sich die Kinder tolerant zeigen, dann müssen wir das ihnen auch vorleben. Das beginnt schon damit, dass wir auch die Meinungen von Kindern ernstnehmen und akzeptieren“, erklärt Vanessa. Und wenn all das so gelebt wird, wie wir es uns vornehmen, dann können auch unsere Kleinsten schon früh lernen, wie schön es ist, tolerant zu sein.

Text: Lena Gerhard

Beitragsfoto: fotogestoeber / AdobeStock