Wer die Würde eines Menschen antastet verachtet Gott

Die Würde des Menschen ist unantastbar – heißt es im Grundgesetz. Aber sie wird angetastet, schlimmer noch: Sie wird täglich auch vorsätzlich verletzt. Angehörige von Minderheiten werden verbal beleidigt, ja physisch angegriffen, aber auch Zugehörige zu einem Geschlecht, z.B. Frauen, vorsätzlich bloßgestellt oder benachteiligt. Gelegentlich frage ich mich, wie ist das möglich? Ist es nur Gedankenlosigkeit der Gesellschaft?
Aus meiner jüdischen Sicht: Der Mensch, weiblich wie männlich wie „männlichundweiblich“ wurde im ersten Schöpfungsbericht im Abbild GOTTES geschaffen. GOTT ist diverser als nur e i n Geschlecht, wir sollen uns von ihm kein Bild machen. In jedem anderen Menschen tritt mir ein Teil-Abbild jenes ganz Anderen – nämlich GOTTES – entgegen. Indem ich eines anderen Menschen Würde antaste oder gar verletze – verachte ich GOTT.
Auf diesem schwierigen Weg sind wir: die Würde eines jeden ANDEREN zu wahren – es ist so schwierig, wie GOTT zu finden. Ich bin getrost, dass ich GOTT nicht nur suche, sondern immer wieder finde, wenn ich die Augen schließe und innig bete, wenn ich einem ANDEREN begegne und lächelnd in die Augen schaue.
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama
Wie sehen Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen das Thema "Würde"? Wir haben Vertreter:innen verschiedener Religionen um ihre Expertise gebeten.

Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Jahrgang 1950, ist ein deutscher Historiker, Publizist und Rabbiner. Er war langjähriger geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Heute ist Professor Nachama Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR), Senator des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam, Jüdischer Vorsitzender des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der Katholiken und Rabbiner im Präsidium des House of One Berlin.
www.nachama.de
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