Folter hebt die Unantastbarkeit der Menschenwürde aus den Angeln
Gedanken einer Mitarbeiterin von Amnesty International für das WerteJahr „Würde“
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So beginnt der Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Nicht ohne Grund wurde die Menschenwürde ganz an den Anfang unserer Verfassung gestellt, sie ist ein Kernelement für ein funktionierendes, gesellschaftliches Zusammenleben.
Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 verkündet, und zeitgleich erfolgte die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Dies sollte einen neuen Abschnitt in der Geschichte des Landes begründen und die Schrecken der Herrschaft der Nationalsozialisten hinter sich lassen.

Die Würde des Menschen zu achten ist die entscheidende Weichenstellung ganz zu Beginn der Verfassung. Den Menschen als Individuum zu achten mit allgemeinem Eigenwert, der jedem kraft seiner Person zukommt, macht die Identität unserer staatlichen Gemeinschaft aus. Für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben von individuellen und freien Bürger:innen ist dieses Menschenbild von grundlegender Bedeutung.
Allerdings ist der konkrete Inhalt der Menschenwürde schwer zu definieren, und die Grenzen zu seiner Verletzung verwischen insbesondere in Ausnahmesituationen.
Die Würde des Menschen ist zum Beispiel dann verletzt, wenn er zum „bloßen Objekt staatlichen Handelns“ degradiert wird. Ein Beispiel für eine solche Degradierung ist, wenn ein Mensch zum Opfer von Folter wird.
Dennoch ist Folter Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge eine weit verbreitete Praxis: In ca. 140 Staaten finden Folter oder Misshandlung statt. Auch in Deutschland wurde die unbedingte Geltung des Folterverbots in der Öffentlichkeit manchmal in Frage gestellt, zum Beispiel, wenn ein Kind entführt wird, der Entführer aber über den Aufenthaltsort schweigt.
Mit dieser Diskussion wird eine Tür aufgestoßen, die unsere grundlegenden Werte ins Wanken bringen könnte. Zunächst ist es quasi unmöglich, Kriterien zu erstellen, wann eine solche Extremsituation vorliegt und wann nicht. Jeder Mensch ist kraft seines Menschseins gleich viel wert. Dies ist die Kernaussage der Menschenwürde.
Nebenbei gesagt ist nicht belegt, dass Folter zum gewünschten Ziel führt, etwa zu einer wahrheitsgemäßen Aussage. In einer Foltersituation könnte jemand alles Mögliche sagen, nur um die Folter zu beenden.
Folter führt nicht zur Gerechtigkeit. Es wäre ein Widerspruch in sich, Folter zu erlauben und zugleich in rechtsstaatlichen Grenzen halten zu wollen. Würde man beginnen, in einigen Ausnahmefällen die Folter von Menschen zuzulassen, würde das Prinzip der Unantastbarkeit der Menschenwürde aus den Angeln gehoben.
Wir alle sollten uns unserer Menschenwürde bewusst sein und auch unseren Mitmenschen diese entgegenbringen. Ohne diesen grundlegenden Wert würde unsere Gesellschaft auseinanderfallen.
Text: Charlotte Baldauf
Weitere Hintergrundinformationen
Folter von Amnesty International
Globale Kampagne „Stop Folter“ von Amnesty International
Thema Folter & Misshandlung bei Amnesty International
Themenkoordinationsgruppe gegen Folter von Amnesty International
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