Zum Inhalt springen

Würde im Islam

Das erste Grundrecht ist das Recht auf die Würde des Menschen. Im Islam gilt der Grundsatz, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zu achten. Somit hat der Schutz der Menschenwürde bei den Muslimen einen besonders hohen Stellenwert und ist ein zentraler Teil ihres Glaubens. Die dem Menschen verliehene Würde wird ihm kraft seines Menschseins zuteil. Im Koran heißt es dazu: „Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen“ (95: 4) und „…wir haben den Kindern Adams Ehre erwiesen“ (17: 70). Das bedeutet, nicht nur den Muslimen, nicht nur den Gläubigen, sondern allen Kindern Adams hat Gott Ehre erwiesen und hat sie aufgrund dieser Abstammung und ihrer wundersamen Erschaffung gewürdigt. Diese Verse verdeutlichen die hervorgehobene Sonderstellung des Menschen, welche ihn von weltlichen Erwartungshaltungen und Maßstäben, wie Besitz, Leistung, Ansehen usw. entbindet, da Gott dem Menschen von seinem Geist eingehaucht hat und somit jeder Mensch etwas Göttliches in sich trägt und ihm dadurch seine unverlierbare Würde verliehen wird.

Foto: Faseeh Fawaz auf unsplash

Im Islam bilden die Menschen eine einzige Gemeinschaft, eine Gesellschaft für alle Menschen, in der keine Gruppierung mit Privilegien ausgestattet ist. Nach diesem Grundprinzip steht demnach insbesondere der Schutz der vulnerabelsten Gruppen, wie den Armen, Kranken, Notleidenden und Heimatlosen, im Vordergrund. Im Islam ist beispielsweise die Spende für soziale Dienste institutionalisiert, in Form einer Pflichtabgabe, Zakat, die jeder volljährige Muslim, der etwas Erspartes hat, jährlich entrichten muss und zwar in einer Höhe von 2 bis 2,5 Prozent seines Vermögens. Wer aus dieser Pflichtabgabe unterstützt wird, ob Muslim oder nicht, ob in Notlagen vor Ort oder global, ist nicht vorgeschrieben, entscheidend ist, dass jemand bedürftig ist. Mit diesem Gebot wird der Mensch dazu angehalten, sich für marginalisierte Gruppen einzusetzen und im Lichte der Bewahrung der Menschenwürde diese zu schützen. Es ist ein Dienst an Gott und ein Dienst an den Menschen. Hier werden die beiden Sphären, die den Islam prägen, deutlich: Es geht immer um die Beziehung Gott – Mensch und Mensch – Mensch.

Mit der Wahl Gottes, den Menschen als Seinen Statthalter auf Erden zu bestimmen, wird der Mensch den Engeln vorgezogen und ihm durch diese Aufgabe die höchste Würde zuteil: „Und als dein Herr zu den Engeln sagte: ‚Ich bin dabei, auf der Erde einen Statthalter einzusetzen‘, da sagten sie: ‚Willst Du auf ihr etwa jemanden einsetzen, der auf ihr Unheil stiftet und Blut vergießt, wo wir Dich doch lobpreisen und Deiner Heiligkeit lobsingen?‘ Er sagte: ‚Ich weiß, was ihr nicht wißt‘“ (2: 30). Mit diesem Koranvers kann auf die Willensfreiheit des Menschen hingedeutet werden, der zwischen Gut und Böse entscheiden kann. So ist der Mensch dazu angehalten, pflichtbewusst mit dem ihm gewährten Gaben und Gnaden Gottes umzugehen und, so wie es der Koran lehrt, „Gutes zu gebieten und Schlechtes zu verwehren“. Der Absicht hinter den Taten wird dabei höchste Bedeutung zugesprochen und verleiht den Taten ihren Wert. So lautet das Gebot des Propheten Mohammed: „Alle Taten werden nach ihren Absichten bewertet.“. Gottesfürchtigkeit drückt sich somit in den Absichten und in der Rechtschaffenheit des Menschen aus. Dabei tritt die Reflexion über das eigene Handeln in den Vordergrund. Denn mit diesem Bewusstsein pflanzte Gott in den Menschen die Fähigkeit über sich selbst und seine Umwelt nachdenken zu können und mit der von Gott anvertrauten Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen.

Text: Aiman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland)