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Gandhi-Informations-Zentrum e.V.

Das Gandhi-Informations-Zentrum

Das Gandhi-Informations-Zentrum, Forschungs- und Bildungsstätte für Gewaltfreiheit, gibt Publikationen über das Leben und Wirken von Mahatma Gandhi heraus. Schwerpunktprojekte in den Jahren 2008 bis 2020 waren 21 Ausstellungen zur Ideengeschichte der Gewaltfreiheit. Die öffentliche englischsprachige Gruppe „Gandhi Information Center (Research and Education for Nonviolence)“ ist auf über 1.500 Mitglieder angewachsen, darunter zahlreiche Wissenschaftler:innen und Künstler:innen aus verschiedenen Ländern: eine täglich neue, interaktive Erfahrung mit einem farbenreichen und vielseitigen Medium für ästhetische und politische Bildung.

www.nonviolent-resistance.info
www.themanifesto.info

Frieden und Weltföderation


Dr. Christian Bartolf ist der 1. Vorsitzende des Gandhi-Informations-Zentrums in Berlin. Der gemeinnützige Verein für Bildung existiert seit 1990 und knüpft Kontakte in alle Welt, um zu einem internationalen Netzwerk für die Kultur des Friedens beizutragen.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Dominique Miething von der FU Berlin (Foto rechts) gibt Dr. Bartolf für das WerteJahre-Projekt einen Einblick in die Ansätze der Friedensforschung – ein weites Themenfeld mit historischen Rückblicken, philosophischen Diskussionen und zukunftsweisenden Weitblicken. Und eine kleine Inspirationen, um sich weiter zu informieren.

Ein „Welthaus“ für Frieden

Der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1964, Dr. Martin Luther King Jr., träumte von einem „Welthaus“, in dem alle Menschen friedlich zusammenleben. Seine Vorstellung von Frieden hatte er im Jahr 1963 aus dem Gefängnis formuliert, als er die Unterscheidung zwischen negativem und positivem Frieden betonte: „einen negativen Frieden, in dem es keine Spannungen gibt“ und „einen positiven Frieden, in dem Gerechtigkeit herrscht“. (Martin Luther King, Jr.: „Brief aus dem Gefängnis in Birmingham“, in: Ich habe einen Traum. Ein Lesebuch. Hrsg. v. Heinrich Grosse. Ostfildern: Patmos Verlag, 2018. S. 77-106, hier: S. 91)

Aus dem englischen Original zitiert: „a negative peace which is the absence of tension” und “a positive peace which is the presence of justice” (Martin Luther King, Jr.: Chapter “Letter from a Birmingham Jail (April 16, 1963).” In: Why We Can’t Wait (1964) – Erstausgabe: Martin Luther King, Jr.: “Letter from Birmingham City Jail”. Philadelphia: American Friends Service Committee, May 1963)

Friedensutopie ohne Gewalt

Immanuel Kant hatte in seiner wegweisenden Schrift „Zum ewigen Frieden“ bereits eine Vision von einer friedlichen Weltgesellschaft, die nicht ohne Konflikte, aber ohne Gewalt existieren soll:

Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“ (Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (erste Auflage 1795)

Der Philosoph Kant entwarf die Friedensutopie einer globalen Föderation freier Staaten, die keine nationalen Armeen unterhalten und in denen ein Weltbürgerrecht für alle gilt. Dieses Konzept ersetzt Soldatentum und Militär durch eine Weltinnenpolitik – mit Rechtsdurchsetzung, die nicht auf die Tötung von Menschenleben zielt.

Positiver Frieden und Würde

Der für uns bedeutende Schritt der Kritischen Friedensforschung, inspiriert von dem norwegischen Wissenschaftler Johan Galtung, war, den Frieden als Abwesenheit von Gewalt und Krieg zu definieren, als negativen Frieden. Das bedeutet, dass Gewalt und Krieg negiert werden, also moralisch und politisch verworfen werden, für alle Zeit.

Der zweite Schritt war, dass der positive Friede von nun an verbunden wurde mit dem, was wir als soziale Gerechtigkeit bezeichnen, wo Gleichberechtigung verwirklicht worden ist. In diesem positiven Frieden kommt der unsichtbare Täter nicht mehr zum Zuge, der die strukturelle Gewalt verursacht, weil soziale Gerechtigkeit dies verhindert, Menschen also nicht mehr arm und hungrig, bedürftig und deklassiert sind, sondern die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Menschenrechte für jeden einzelnen Menschen garantiert sind.

Warum überhaupt Krieg?

Albert Einsteins Forderung nach Schiedsgerichtsbarkeit im Konflikt zwischen Nationen ergänzte dieses Konzept, zum Beispiel im Fall von territorialen Ansprüchen oder Grenzdisputen; diesen Vorschlag erörterte Einstein im Auftrag des Völkerbundes in seinem Briefwechsel mit dem Kulturtheoretiker und Psychoanalytiker Sigmund Freud über die Ursachen des Krieges. (Albert Einstein / Sigmund Freud: Warum Krieg? Ein Briefwechsel. Hrsg. vom Internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit am Völkerbund. Paris 1933)

Weltföderation, Gewaltlosigkeit und wahrer Frieden

Der indische Sozialphilosoph M. K. Gandhi verband seine Utopie eines vom Kolonialismus befreiten Indien mit einer Weltföderation auf gewaltfreier Grundlage. In seiner berechtigten Kritik an zentralistischen Entwürfen einer Weltregierung nach nationalstaatlichem Vorbild, sprach sich Gandhi noch während des Zweiten Weltkrieges eindeutig für eine Weltföderation aus – ausschließlich unter der Bedingung, „if it is built on an essentially non-violent basis.“ (The Collected Works of Mahatma Gandhi, volume 79, page 422: „Interview to Ralph Coniston, before April 25, 1945“; zitiert nach: Mahatma Gandhi—The Last Phase, Vol. I, Book I, p. 116)

An anderer Stelle präzisiert er seine Vorstellung von Frieden: “We are aiming at a world federation in which India would be a leading unit. It can come only through non-violence. Disarmament is only possible if you use the matchless weapon of non-violence.” (The Collected Works of Mahatma Gandhi, volume 76, page 381: “Speech at All India Congress Committee Meeting”. Bombay, August 7, 1942; zitiert nach: The Hitavada, 9-8-1942; also The Bombay Chronicle, 8-8-1942)

“If I can get freedom for India now through non-violent means, power of non-violence is firmly established, Empire idea dissolves and world State takes its place, in which all the States of the world are free and equal, no State has its military, there may be a world police to keep order in the absence of universal belief in non-violence.” (The Collected Works of Mahatma Gandhi, volume 76, page 341: “Letter to Maurice Frydman”, Sevagram, July 28, 1942)