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„Egal welche Arbeit: Man sollte einen angemessenen Lohn erhalten!“

Lukas Krämer engagiert sich schon seit mehreren Jahren für Menschen mit Behinderung. Auf seinem YouTube Kanal und auf Instagram spricht er unter Sakultalks über sein Leben mit Behinderung und klärt über Vorurteile auf. Im Frühjahr 2021 hat er gemeinsam mit Change.org die Petition #StelltUnsEin gestartet, in der er gerechtere Löhne in Werkstätten für Menschen mit Behinderung fordert. Wir haben mit ihm über die Arbeitsbedingungen in den Werkstätten und seine Forderungen gesprochen.

Interview mit Lukas Krämer

Im Frühjahr 2021 hast du eine Petition gestartet, um eine gerechte Bezahlung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu fordern. Kannst du nochmal erklären, wie es dazu kam?

Ich habe selbst fünf Jahre lang in einer solchen Werkstatt gearbeitet und war sehr unzufrieden damit, was man dort verdient. Auf YouTube mache ich bereits jahrelang Videos zu diesem Thema und irgendwann ist change.org auf mich zu gekommen und am 31.03.2021 haben wir gemeinsam die Online-Petition gestartet, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu bekommen.

Wir haben ja eigentlich einen Mindestlohn in Deutschland, aber der gilt in de Werkstätten nicht. Wie viel verdient man denn am Tag in so einer Werkstatt?

Man verdient 1,35€ die Stunde, also um die 8 Euro am Tag.

Da bleibt nicht viel übrig. Wie sieht so ein Tag in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung denn eigentlich aus?

Es ist eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag. Du kommst um 8:00 Uhr dorthin und bekommst deine Aufgaben für den Tag, arbeitest ganz normal und um 16:00 Uhr fährst du wieder heim. Der Ablauf ist also wie ein normaler Betrieb, wie beispielsweise eine Schreinerei.

Was hast du gearbeitet?

Ich habe dort fünf Jahre lang Wasserhähne montiert.

Also hast du eigentlich das gleiche gemacht, wie Menschen in einer normalen Fabrik, nur für einen Bruchteil der Bezahlung?

Genau richtig.

Deine Petition haben mittlerweile schon über 150.000 Menschen unterschrieben. Was hat sich dadurch geändert?

Einiges. Es sind sehr viele Medien auf mich und das Thema aufmerksam geworden. Ich habe aktuell jeden Monat mehrere Fernseh-Drehs und Zeitungsinterviews. Bis dahin hat das Thema nur sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen und wenn darüber berichtet wurde, dann nur sehr einseitig und positiv.

Die Werkstätten haben selbst auch wirtschaftliche Interessen, richtig?

Genau, die Werkstätte wollen möglichst viel verdienen und es geht in erster Linie darum, dass sie genug Gewinne erwirtschaften.

Viele Menschen sind erst durch deine Petition auf die Missstände in Werkstätten für Menschen mit Behinderung aufmerksam geworden. Woran liegt das?

Die Werkstätten machen auf ihrer Website sehr einseitige Werbung und legen wenig offen, was man tatsächlich verdient. Sie preisen nur die Vorzüge und ihre Angebote an.

In Deutschland gibt es eigentlich Gesetze, dass Menschen mit Behinderung auch in „normalen“ Betrieben arbeiten sollen, das wird aber zu wenig umgesetzt. Woran liegt das?

Ich habe mal bei einem Fernsehbeitrag mitgemacht, wo jemand erzählt hat, dass sein damaliger Chef ihn angewiesen hat: „Stell bloß niemanden mit Behinderung ein. Den wirst du nie wieder los.“ Solange es diese Vorurteile gibt, dass Menschen mit Behinderung nicht richtig arbeiten und nur wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen, kann es nicht funktionieren. Die muss man erstmal abbauen.

Das Vorurteil ist also, dass Menschen mit Behinderung nur eine Belastung mit sich bringen und im Arbeitsleben nichts leisten können. Du beweist aber ja das Gegenteil, denn du betreibst mittlerweile die Social Media Plattformen einer Grünen Politikerin. Wie bist du dazu gekommen?

Ich wurde 2017 in den Bundestag eingeladen und bin bei ihrer Rede dort eingenickt, denn die war todlangweilig (lacht). Dann habe ich ein Interview mit ihr auf meinem YouTube Kanal gemacht und später habe ich mich dann bei ihr beworben. Und Ende 2018 wurde ich dann eingestellt.

Du bist also bei ihrer Rede eingeschlafen und hast dir letztendlich so einen Job bei ihr verschafft. Das muss man auch erstmal schaffen! Würdest du sagen, du bist die Ausnahme?

Ja, ich bin leider die Ausnahme, aber noch nicht die Regel. Und genau da muss man in den nächsten in der Politik dran arbeiten, um genau das zu verbessern.

Das heißt, du wünschst dir Gesetze, um Menschen mit Behinderung besser einzubeziehen?

Ja, aber ich wünsche mir erstmal, dass Menschen mit Behinderung eine bessere Bildung bekommen. Viele Menschen werden auf Sonderschulen oder Förderschulen aussortiert und wenn man da keinen Abschluss erwerben kann, wird es sehr schwierig. Ich würde mir wünschen, dass alle auf normale Schulen gehen können. Wenn man das verbessert, kriegt man das andere Problem auch irgendwann gelöst.

Das Thema unseres WerteJahres ist Würde. Was bedeutet Würde für dich persönlich?

Egal, was man für eine Arbeit macht, sollte man Wertschätzung in Form von angemessenem Lohn erhalten.

Was wünschst du dir für die Zukunft, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln soll, wenn du an Würde denkst?

Das ist sehr komplex. Erstmal muss man von dem Gedanken wegkommen, dass Menschen mit Behinderung nicht so viel leisten können. Also, wie eben gesagt, dass man dahin kommt, dass alle eine gemeinsame Schule besuchen und es immer weniger oder am besten keine Sonderschulen gibt.

Vielen Dank!

Wer mehr über Lukas Krämer erfahren will, kann seinen Instagram– oder YouTube-Kanal besuchen.